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... ausgerechnet Bananenaufkleber. Die Kultur der kleinen Werbeträger (Abgedruckt in: MuseumsJournal, Nr. 1, 17. Jahrgang, Januar 2003, S. 48-50) Mit dem Wort Banane verbinden 90% aller Deutschen
noch immer die Marke Chiquita: Derart nachhaltig wirkt bis heute eine
der erfolgreichsten Werbekampagnen der Neuzeit (Abb. 4). Noch lange,
nachdem der Markenname - damals von Young & Rubicam gestylt -
1963 in den USA und ab dem Frühjahr 1967 auch in der Bundesrepublik
eingeführt worden war, sollte Chiquita das Synonym für Banane
bleiben. Begriffe wie "Branding" und "Corporate Identity",
die heute jedem geläufig sind, hielten damals auch in der Bananenwelt
Einzug, und maßgeblichen Anteil am Bekanntheitsgrad der Marke
hatte der blaue Aufkleber, der die Chiquita-Bananen seitdem in verschiedenen
Versionen ziert. Mit ihm beginnt, von wenigen früheren Ausnahmen
abgesehen, die Blütezeit des Bananenaufklebers. Abb. 1: Verkaufsstand der Afrikanischen Frucht-Compagnie, 30er-Jahre Bella, Carmona, Laurita, Maya, Sonita, Tropica und
noch etwa eintausend andere zumeist hübsch-harmlose, bisweilen
witzige, gelegentlich auch absurd klingende Markennamen aus aller
Welt kennt der fortgeschrittene Sammler der kleinen Werbeträger.
An die 6000 verschiedene Varianten sind dokumentiert, die Dunkelziffer
real existierender oder unbekannt gebliebener Exemplare dürfte
weit darüber liegen. Nicht nur bei uns sind Bananenaufkleber
schon lange vertraute und zugleich wichtige Exponenten der Konsumgesellschaft.
Sie bilden das Identifikationsmerkmal einer Banane schlechthin, obwohl
die wenigsten Käufer bewußt darauf achten. Ihre Geschichte
ist auch die Geschichte des Bananengeschäfts. Die Verflechtungen
unter den Konzernen, Anteile an konkurrierenden Firmen und Übernahmen
ganzer Branchenzweige haben in den vergangenen 30 Jahren immer wieder
zu neuen Marken und damit auch zu neuen Bananenaufklebern geführt.
Und der Bananenhandel ist immer lukrativ gewesen und geblieben, gilt
die Banane schließlich nach dem Apfel als der Deutschen zweitliebste
Frucht: Bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 14,3 Kilo
jährlich ist sie bei uns längst zu einem Volksnahrungsmittel
herangereift. Die Banane wird im 6. Jh. v. Chr. zum ersten Mal in einem indischen Gedicht erwähnt. Schon Alexander der Große soll sie im Jahre 327 v. Chr. gekostet haben, und aus China ist aus dieser Zeit bereits der Anbau-, Reifungs- und Ernteprozeß dokumentiert. Mit dem Islam kommt die Banane um das Jahr 650 nach Nordafrika und wird - von den Portugiesen neu entdeckt - über Guinea auf die Kanarischen Inseln gebracht, wo 1402 erste Pflanzungen entstehen. Aus der Zeit dieser Migration stammt auch der Name: "banan" heißt im Arabischen "Finger". Thomas de Berlanga, Bischof von Panama, bringt sie 1516 als Grundnahrungsmittel nach San Domingo, und über die Inseln der Karibik findet sie in ganz Mittel- und Südamerika Verbreitung. In der Alten und Neuen Welt kennt man die Banane
aus Reiseberichten als eine Frucht, die für große Transportstrecken
zu schnell reift. Um 1870 aber - begünstigt durch die technischen
Entwicklungen des Industriezeitalters - gründen sich Handelsgesellschaften,
werden Flotten angeheuert und Bahngleise in den Hauptanbaugebieten
Mittel- und Südamerikas verlegt, um die Infrastruktur für
einen lohnenden Bananenhandel zu schaffen. 1876 werden in Philadelphia
einzelne, in Stanniol gewickelte Bananen auf Abb. 2: Bananenaufkleber von 1929 bis heute Dies befördert die Erfolgsgeschichte jener Firmen, die ihr Geschäft in der Zukunft fast ausschließlich mit Bananen machen sollten. 1899 ist aus dem Zusammenschluß einer costaricanischen Eisenbahngesellschaft und der "Boston Fruit Company" die "United Fruit Company" (heute "Chiquita Brands International") hervorgegangen; sie versorgt die ganzen Vereinigten Staaten mit Bananen. Eigene Schiffe stellen ab 1907 optimale Transportbedingungen sicher. Auch ihr größter Konkurrent, die "Standard Fruit & Steamship Company" (heute "Dole") der Familie Vaccaro in New Orleans, drängt mit ihrer eigenen Flotte in den Bananenhandel. Schon kurz nach der Jahrhundertwende kontrollieren beide Firmen den mittel- und südamerikanischen Bananenanbau und steigern in den folgenden Jahrzehnten ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluß auf die Region. Deutsche Bananenpioniere kommen erstmals 1908 nach Kamerun, das zu dieser Zeit zum deutschen Kolonialbesitz gehört; 350 Bananenschößlinge sind die Basis für ertragreiche Plantagen. Zur Finanzierung des transportintensiven Bananengeschäfts gründet der Hamburger Reeder Ferdinand Laeisz 1912 die "Afrikanische Frucht-Compagnie" (AFC). Als 1914 die ersten »deutschen Bananen« verschifft werden sollen, beginnt der I. Weltkrieg, die Bananendampfer werden zum Kriegseinsatz herangezogen und die deutschen Bananenträume abrupt beendet. Erst nach dem Rückkauf der Plantagen (ab 1925) kommen dann in der Folge "Deutsche Kamerun-Bananen" auf den heimischen Markt, die mit einem AFC-Aufkleber versehen sind (Abb. 1). Nach 1949 beginnt die AFC mit Importen aus Lateinamerika, und die Eigenmarke "Onkel Tuca" - ursprünglich nach dem Konterfei des populären Bonanza-Chefs Lorne Greene gestaltet - behauptet sich seit Ende der 60er Jahre. Der älteste bekannte und am längsten verwendete Bananenaufkleber aber - quasi die Blaue Mauritius des Genres - stammt von der irischen Firma Fyffes. 1888 als "E.W.Fyffe, Son & Co." gegründet (und von 1913 bis 1986 im Besitz der "United Fruit Company"), setzt Fyffes 1929 mit dem "Blue Label Brand"-Aufkleber einen frühen Meilenstein in der Geschichte des Corporate Designs, der in ganz Europa für damalige Verhältnisse äußerst marktintensiv beworben wird (Abb. 3). Mit geringfügigen Änderungen ist das dunkelblaue Etikett bis 1963 in Verwendung und hat auch heute (nach dem letzten Designwechsel 1994) nichts von seiner Ästhetik verloren. Fyffes ist derzeit - zusammen mit der Sub-Brand "Hoya" und 50% Anteilen an der englischen Bananenfirma "Geest" - nach Chiquita, Dole, Del Monte und Turbana fünftgrößter Bananenproduzent der Welt. Abb. 3: Fyffes-Anzeige von 1929 Der "Blue Label Brand"-Aufkleber ist zugleich auch klassischer Vertreter eines Grundtyps im Aufkleberdesign: Er kommt ohne weitere Zutaten aus und besteht nur aus einem puren Schriftzug oder Logo. Mischformen aus Text und Graphik sind in der Aufkleberwelt am häufigsten vertreten, wobei es sich bei den Motiven in der Mehrzahl um Darstellungen von Bananen handelt. Danach folgen weibliche Schönheiten, Tiere und Landschaften (Abb. 2). Die Gestaltung und Ausführung ist oft an den sozio-kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Gesellschaft orientiert. So prangt in Japan als Zeichen der höheren Wertschätzung (und des höheren Kaufpreises) von Obst viel Goldenes auf den Bananen. Eigenmarken mittel- und südamerikanischer Bananenproduzenten tragen häufig spanische Frauennamen nebst dazugehöriger Phantasieportraits, die gleichzeitig für verschiedene Marken verwendet werden. Gemeinsam ist jedoch fast allen Aufklebern, daß über den Ursprung des Designs oder seine Weiterentwicklung wenig bekannt ist: Zumeist handelt es sich um anonyme Gestaltung, die wiederum oft in der Anlehnung an erfolgreiche Marken und deren Erscheinungsbild besteht, und nicht selten bestimmen die in den Druckereien gerade vorhandenen Rohlinge das Aussehen vieler Bananenaufkleber. Daß sie manchmal sogar politischen Einflüssen ausgesetzt sind, zeigt Mischa, der russische Bär und Maskottchen der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau: Bei Chiquita bereits gedruckt, kommen diese Aufkleber nie zum Einsatz, weil die USA die Spiele boykottieren. Umgekehrt kann die Banane aber auch zum Medium politischer Aufklärung werden: In Belgien prangert im Jahr 2000 ein Protestaufkleber auf Chiquita-Bananen mit dem Text "Cavapas? Chiquita viole les droits de l'Homme" den Konzern wegen seiner Beschäftigungspolitik an. Abb. 4: Chiquita-Anzeige von 1965 Ein kritischeres Bewußtsein des Konsumenten für die Produktionsbedingungen seiner Nahrungsmittel beeinflußt inzwischen eben auch den Bananenmarkt. Nach Reportagen über die riesigen Monokulturen, die ganze Landstriche veröden lassen, über die miserable Lohnsituation der Plantagenarbeiter oder die Pestizidmengen, die regelmäßig bei Anbau und Konservierung zum Einsatz kommen, sind einige Bananenproduzenten bemüht, ihr schlechtes Image aufzubessern und Rahmenbedingungen zu verändern. Gleichzeitig erwächst eine Vielzahl neuer Firmen, die Bananen auf der Basis ökologischen Landbaus und gerechter Entlohnung vermarkten: FairTrade-Bananen mit Namen wie "FairNando", "Max Havelaar" oder "TransFair", Bio-Bananen von "BCS", "Savid" oder "ECO". Diese Entwicklung steht erst an ihrem Anfang, und sie ist nicht nur aus der Sicht des Bananenaufklebersammlers zu begrüßen. Josef Binder, Berlin
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